Vernetzungsprojekt des Wissenschaftsladen Dortmund e.V. seit 1991
Das FREE! Projekt wurde Anfang 1991 vom gemeinnützigen Verein Wissenschaftsladen Dortmund e.V. ins Leben gerufen. Ziel war und ist die Nutzung neuer Formen elektronischer Kommunikation zur Förderung eines freien und unzensierten Informationsaustauschs für interessierte Individuen und Gruppen.
Das FREE! Projekt nutzt die Räumlichkeiten und Ressourcen des Trägervereins Wissenschaftsladen Dortmund e.V. um sie seinen Nutzern- / Nutzerinnen und sonstigen progressiven Gruppen zur Verfügung zu stellen.
Mit dem Aufbau einer technischen Infrastruktur und des dafür nötigen Wissens verfolgt FREE! mehrere Ziele:
Nach dem Wissenschaftsladen-Prinzip der "Hilfe zur Selbsthilfe" machen wir für engagierte Menschen Ressourcen verfügbar.
Die produktiven Möglichkeiten der Netze versuchen wir neben Individuen und Gruppen insbesondere auch für progressive Bewegungen nutzbar zu machen. (Gewerkschaftliche Vernetzung, Umweltbewegung, Antifaschismus, Kunst- und Kultur, soziale Bewegungen, Tierschutz, Bürgerprotest, uvm.)
Die meisten Menschen stellen sich das Internet als ein grosses Netz vor. Es besteht jedoch aus einer Vielzahl autonomer Netze (auch FREE! betreibt so ein autonomes Netz). Die dezentrale Struktur des Internet war eine Anforderung des US-amerikanischen Militärs. Sie wollten ein ausfallsicheres Kommunikationnetz, in dem jedes Subnetz die Dienste des anderen übernehmen kann. Diese Architektur entstand in freiem Austausch US-amerikanischer Forschungseinrichtungen: die Standards der Übertragungsprotokolle für den Datenaustausch waren frei zugänglich und wurden öffentlich von allen Beteiligten diskutiert und weiterentwickelt.
Kaum war die grundlegende Infrastruktur geschaffen, wurde diese an kommerzielle Betreiber übergeben. In den 1990er Jahren folgte die Kommerzialisierung der Dienste und der Inhalte.
Immer weniger, immer größere Provider teilen sich den Markt Internet. Aufgrund des Umfangs an gespeicherten Verbindungsdaten bieten sie zudem ideale Plattformen für staatliche Überwachungsmöglichkeiten à la "1984". Vom Prinzip der Dezentralität entfernt sich die Internet-Infrastruktur zunehmend.
Mittlerweile ist die freie Kommunikation über das Netz für einen grossen Teil der NutzerInnen mutiert zum online-banking/-shopping und virtuellem Geplapper.
Aber es geht auch anders. Entscheidend ist die Absicht der NutzerInnen. Will ich konsumieren oder will ich souverän über ein Medium verfügen, das quasi in Echtzeit Kommunikation und Information über alle Grenzen hinweg ermöglicht?
Kommerzielle Internetdienste werden oft bedenkenlos in Anspruch genommen. Auch von progressiven NutzerInnen wird der Unterschied zwischen kostenlos und frei vergessen oder verdrängt. Sie nutzen häufig sog. KostNix-Internetdienste.
Es sollte aber doch klar sein, dass z.B. gmx und web.de (die übrigens beide dem gleichen Konzern 'United Internet' gehören) so etwas nicht zum Spass oder aus reiner Nächstenliebe anbieten.
Warum können sich gmx & Co diese Grosszügigkeit leisten? Mit den "0,-Euro"-Angeboten werden die Postfächer, Websites, Mails der NutzerInnen mit Werbebotschaften bestückt; nach dem Motto 'Irgend etwas wird schon hängen bleiben'. Die Nutzung von Kundendaten für Marketingzwecke, Ausforschung der Privatspäre, weitere Monopolisierung des Internet, Zensur und Vorratsdatenspeicherung - all das gibt es kostenlos bei gmx & Co dazu.
Gleichzeitig wird damit den alternativen Projekten die soziale und ökonomische Basis entzogen. Ohne Unterstützung durch die Bewegung können sich emanzipatorische Internetprojekte nicht halten und weiterentwickeln. Und umgekehrt?
Angesichts der Lobpreisung von Staat und Kapital in der Mehrzahl bundesdeutscher Medien sind für alle, die jenseits von Kommerz und politischem Mainstream Alternativen entwickeln wollen, eigene Medien von grosser Bedeutung.
Wir unterstützen Menschen,
Wir wünschen uns viele Internetprojekte – in Dortmund und anderswo. Wir wollen Hilfe zur Selbsthilfe geben, Infrastruktur bereitstellen und beraten. Die Erfahrungen, die wir seit 1991 mit Vernetzungstechnologien gemacht haben, geben wir gerne weiter.
Die Schaffung und der Erhalt der Dienste bei FREE! werden zu einem Teil von den FREE!-boyz und -girlz übernommen, indem sie unbezahlt technische und Verwaltungsarbeiten leisten. Den anderen Teil müssen unsere NutzerInnen übernehmen: mit regelmäßigen Spenden, welche die laufenden Kosten für Internetanbindungen, Telekom, Strom, Räume und Hardware abdecken.
Dass FREE! von seinen NutzerInnen Geld braucht, mag in Zeiten von "jetzt schon ab 0,- Euro* Verträgen" uncool wirken, aber nur dadurch wird ein von Fremdinteressen freier, selbstbestimmter Serverbetrieb im Sinne aller FREE! NutzerInnen möglich.
FREE! ist frei von aufgezwungener Werbung.
Im Sommer 2013 wurde per Richtfunk zu einer befreundeten Firma des FREE! Projektes in der Dortmunder Nordstadt eine zusätzliche Anbindung an das Internet erschlossen. Mit dieser Richtfunkanbindung wurde auch mehr Ausfallsicherheit erreicht.
Im Sommer 2014 mussten wir das Projekt leider beenden, da der Standort der befreundeten Firma aufgegeben wurde.
Mit dem neuen Anschluss ist die Bandbreite auf 34 Mbit (symmetrisch) gestiegen.
Erweiterung der Anlage auf eine Nennleistung von 4kW.
Zurück zu den ökologischen Wurzeln: Solarmodule auf dem Dach des Langen August speisen mit fast 2kW peak direkt die FREE! Technik - und die Energieerzeugungsstatistiken ins Internet. Der Restbedarf wird atomstromfrei bezogen (seit dem Jahr 2000 bis März 2011 von den EWS (Schönau), seitdem von Naturstrom).
Schon seit dem Umzug in den Langen August war FREE! über zwei unabhängige Standleitungen mit dem Internet verbunden. Anlässlich einer Bandbreitenerhöhung im Frühling 2004 wurde mit Hilfe unserer upstream Provider die überfällige technische Innovation durchgeführt, und der WiLa bekam einen eigenen Adressblock vom RIPE zugeteilt. Damit diese Adressen redundant (d.h. über beide Verbindungen ins Internet) erreicht werden können, wurde FREE! ein sog. autonomous system ("AS"), d.h. ein eigenständiger Teil des Internet. Auch durch die Beschaffung professioneller Hardware konnte die Stabilität des Serverbetriebs weiter verbessert werden. Mit dem Einzug des Chaostreffs im Herbst 2005 in den Langen August wurde unser AS31371 um den Adressblock des Chaostreffs erweitert.
Das Unternehmen ISI Marketing versuchte, das FREE!-Projekt bzw. den Wissenschaftsladen Dortmund per einstweiliger Verfügung dazu zu zwingen, ein Dokument vom Netz zu nehmen bzw. zu modifizieren. Das Dokument befand sich auf der Website einer Initiative von ArbeiterInnen in Callcentern (HOTLINES) die von FREE! gehostet wurde. Die Antragsbegründung verwies auf das Wettbewerbsrecht, und erweckte den Eindruck, als habe nicht HOTLINES, sondern der Wissenschaftsladen selbst das besagte Dokument verfasst.
Bei der mündlichen Verhandlung konnte das Landgericht Bochum konnte glücklicherweise kein Wettbewerbsverhältnis (UWG) zwischen ISI Marketing und dem Wissenschaftsladen Dortmund erkennen. Folglich sah es keine besondere Dringlichkeit und lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ab. Auf die darüber hinaus angedrohte Klage verzichtete ISI Marketing letztendlich - wohl wegen des starken Interesses der (Netz-)Öffentlichkeit. Ansonsten hätten die zu erwartenden Prozesskosten im fünfstelligen Bereich vermutlich das aus für FREE! bedeutet.
Effektiv handelte es sich um einen massiven Angriff auf die Meinungsfreiheit im Internet. Wenn sich (in diesem Fall CallCenter-)ArbeiterInnen im WorldWideWeb nicht mehr umgangssprachlich über ihre Arbeitsbedingungen austauschen können, ohne vorher (und ggf. nachher) juristischen Beistand in Anspruch zu nehmen, dann hat das auf die Dauer zur Folge, daß ein Großteil der Bevölkerung von der Nutzung des Mediums für ihre Belange ausgeschlossen wird. Mehr dazu
Im Herbst 1997 verließ der Wissenschaftsladen Dortmund die alten Räumlichkeiten an der Lindemannstraße - die Studierendenschaften von Uni und FH waren nicht mehr in der Lage, die (Frei)Räume des Uni/FH-Clubs gegen die Rektorate aufrecht zu erhalten. Der WiLa zog in das Kultur- und Initiativenhaus Langer August in der Braunschweiger Straße 22 (Nähe Nordmarkt). Hier fand auch das FREE! Projekt eine neue (und selbstverwaltete:) Bleibe.
Da das Vernetzungsprojekt im WiLa die eigene Technik von Anfang an auch für progressive politische Inhalte zur Verfügung stellte, wurde es schließlich mit einer Zensurdrohung konfrontiert. Daraufhin stellten die im WiLa Aktiven trotz erheblichen finanziellen Risikos Mitte '96 eigene Internetconnectivity her. Seitdem - der Name ist Programm - heißt das Vernetzungsprojekt im WiLa "FREE!" und unsere Domain free.de.
Nach dem Start in Mailboxnetzen und der Nutzung von Mail und News begann der WiLa 1992 (mit der Nutzung von UNIX) Netzverbindungen auch für andere zur Verfügung zu stellen. Aus inhaltlichen und technischen Gründen entstand der Wunsch nach Zugang zum - damals (1993) nur für Hochschulen, Großbetriebe usw. erschwinglichen - Exoten-Netz Internet. Zusammen mit anderen Aktivisten bauten wir 1993 eine auch für die Normalbevölkerung erschwingliche Zugangsmöglichkeit ins Internet mit auf (PING), sodass die Server im WiLa Anfang '94 mit einer Standleitung via PING Teil des Internetz wurden. Kurze Zeit später boten wir darüber WorldWideWeb-Seiten zu ökologischen und gesellschaftskritischen Themen an. Umgekehrt konnten Menschen ohne eigenen Computer oder Internetzugang aus den WiLa-Räumen auf das Internet zugreifen.
Anfang 1991 kamen der erste Computer und das erste Modem in den Wissenschaftsladen Dortmund ("WiLa"). Zu diesem Zeitpunkt wuchs das allgemeine Interesse an unzensierter Informationen zum sogenannten Golfkrieg, gegen den sich auch der Wissenschaftsladen Dortmund engagierte ("Kein Blut für Öl").